Schlag zu und fertig?
Woher kommt eigentlich der Begriff „schlagfertig“? Ein Schlag und der andere ist fertig oder bedeutet es eher, dass ich die Fertigkeit des Rückschlages beherrsche? Es lohnt durchaus einmal einen Blick in die Vergangenheit dieses Wortes. Schlagfertigkeit kommt aus der Militärsprache: Im Militär spricht man von der Schlagfertigkeit einer Armee als Bereitschaft zum sofortigen Einsatz.
Schlagfertigkeit hat Geschichte
Im 19. Jahrhundert wurde der Militär-Ausdruck Schlagfertigkeit zu einem Ausdruck in Konversationen. Ein Gespräch wurde auch interpretiert als eine Art Kampf zweier Menschen miteinander, allerdings mit den Gesetzen der Höflichkeit. Schlagfertigkeit war dann die Fähigkeit, verbal auf Angriffe zu reagieren. Heute bedeutet Schlagfertigkeit, rasch und einfallsreich zu antworten. Schlagfertigkeit ist besonders wichtig, wenn man angegriffen wird oder meint, angegriffen zu werden.
Allerdings sollte man Gespräche, Dialoge weniger als Duelle begreifen. Klüger ist es, andere Menschen als Dialogpartner zu verstehen, als Menschen, die berechtigte, wertzuschätzende Anliegen haben und mit denen man zusammenwirken will. Insofern sollte man von Schlagfertigkeit als verbale Waffe absehen – Schlagfertigkeit kann man aber immer noch als Möglichkeit sehen, Situationen durch Humor zu entschärfen.
Ist Schlagfertigkeit trainierbar?
Ich glaube schon – allerdings sehe ich Grenzen. Schlagfertigkeit ist eine Frage der Persönlichkeit. Es gibt Menschen, die lieben den Schlagabtausch, nein, sie suchen ihn geradezu. Sie haben Techniken entwickelt, um auch bei Gegenwind humorig und standfest zu sein. Stellen Sie sich einen Boxer vor, der den Gegner umtänzelt und ihn provoziert. Kommt dann der Angriff, ist er vorbereitet, duckt sich und holt dann zum Gegenangriff aus.
Echte Freude und Leidenschaft für das Kämpfen spielen hier eine maßgebliche Rolle. So ähnlich ist es auch bei der Schlagfertigkeit. Manche Menschen sind gut vorbereitet, warten geradezu auf den verbalen Schlag. Mit Freude fangen sie diesen ab und parieren mit einem gekonnten, humorigen Rückschlag. Andere hingegen empfinden einen verbalen Schlag als derart verletzend, dass sie sich davon auch Tage später noch nicht erholt haben. Sie sind persönlich betroffen.
Was tun bei Sprachlosigkeit?
Nicht jeder von uns hat bei sprachlos machenden Äußerungen etwas Intelligentes auf den Lippen. Grundsätzlich kann man verbale Schläge gut durch Fragetechniken abwehren. Derartige Techniken sind im Falle eines verbalen Angriffs sehr hilfreich und leisten gute Dienste, um die eskalierende Situation zu entschärfen.
Nehmen wir folgende aktuelle Situation: Auf einer Familienfeier wird über Corona Impfungen diskutiert. Und allen Ernstes verkündet die Cousine Kati, dass sie sich nicht impfen lässt, da diese Impfung eine staatliche Verschwörung sei und Corona überhaupt nicht mehr als eine Grippe sei. Sie sind sprachlos, denn entweder sind Sie selber von Corona betroffen oder kennen Erkrankte. Was soll man auf so eine Ansicht antworten? Expertenwissen ist hier wohl weniger gefragt, denn wir bewegen uns in einem ominösen Graubereich.
Führen durch geschickte Fragen
Entweder lassen Sie diese Äußerung einfach stehen und ignorieren die Cousine. Oder Sie flüchten, fangen an zu brüllen und lassen Aggressionen spielen. Oder Sie nutzen die Fragetechnik: „Wie kommst du darauf? Wo hast du dies gehört oder gelesen? Warum glaubst Du bestimmten Medien und nicht den anderen?“ Ohne in die Tiefe zu gehen, kann man durch interessierte Fragen sein Gegenüber aus der Reserve locken. Gerade wenn es um Verallgemeinerung geht, dann sollten Sie diese aufweichen: „Wenn du von Verschwörung sprichst, wen genau meinst Du? Welche eigenen Erfahrungen hast du denn auf diesem Gebiet schon gemacht?“
Nun hoffen wir einmal, dass die Cousine jetzt nicht explodiert und die Stimmung kippt. Denn sie fühlt sich in die Enge gedrängt und das erzeugt Aggression. Jetzt werden Gefühle frei. Welche Strategien helfen dann? Jetzt sollten Sie genau diese Gefühle anzusprechen und Anteilnahme zu zeigen. „Ja, ich kann gut verstehen, dass du bei diesen widersprüchlichen Berichten der Medien verunsichert bist oder dir dies vielleicht sogar Angst macht? Warum reagierst du so heftig? Fühlst du dich bedroht? Kennst Du Menschen mit Impfschäden?“
Wer sich in der Enge sieht, beißt gerne
Es ist wichtig, dass Sie sich nicht provozieren lassen. Das bedeutet eigene Stärke zeigen. Sie brauchen ein gutes Standing, um sich der anderen Person durch die Taktik des Nachfragens zu zuwenden und Verständnis zu zeigen.
In Situationen, wo Schlagfertigkeit gefordert ist, werden Sie nur selten jemanden vom Meinungswechsel überzeugen. Aber Sie können zum Perspektivwechsel einladen. Das ist doch schon eine ganze Menge. Und wenn jemand mit echtem Humor und mit anderen Sehgewohnheiten durch Schlagfertigkeit Fronten aufweicht, dann ist das schon viel wert.
Niemals sollte die eigene Schlagfertigkeit dazu dienen, andere bloß zu stellen. Denn dadurch treibt man sein Gegenüber in die Enge und provoziert Bissigkeit und „um sich schlagen“. Und dann geht überhaupt nichts mehr, was dann auch nicht zielführend ist.