Mrs and Mr Perfekt trauen sich nicht
Heute ist der beste Tag, sich von dem ewigen Streben nach der perfekten Performance zu verabschieden. Performance – ja gerne. Daran üben wir mit Freude, denn Präsentieren, einen Vortrag oder eine Rede halten, soll Spaß machen. Perfekt – nein, denn was ist überhaupt perfekt? Woran orientiere ich mich dabei?
Richtig – an meiner eigenen hohen Erwartung, aber auch an den vermeintlichen Erwartungen anderer. Ich vertraue meinem eigenen Potenzial nicht, sondern schiele schon mit einem Auge danach, wie es mein Nachbar macht. Ich will das Beste und treibe die Anforderungen an mich auf die Spitze.
Wussten Sie, dass Perfektionismus gerade bei Musikern ein Problem ist? „Beim Streben nach musikalischer Perfektion kommt es dadurch häufig zu hemmenden und belastenden Störungen. Menschen, die das Beste aus sich herausholen und eine Perfektion erreichen wollen, fühlen sich oft nicht glücklich oder nehmen ihren Erfolg nicht als solchen wahr.“ (H. Möller und W. Samsel, Üben & Musizieren, 2015)
Vertrauen auf die eigene Stärke
Zwei Jahr lang nahm ich an einer intensiven Ausbildung für Trainer und Coaches teil. Während der Abschlussveranstaltung sollte jeder Teilnehmende in einer Präsentation zeigen, wie sie/ er die Ausbildungsinhalte im Training mit anderen anwendet.
Wie diese Präsentation gestaltet und welche Schwerpunkte gewählt wurden, war jedem freigestellt. Freie Hand! Es gab überhaupt keinen Druck. Und dennoch entstand eine wahnsinnige Spannung und ein Wettkampf, obwohl es dafür keinen Grund gab. Vielleicht gerade, weil nichts festgeschrieben war, führte dies zur Verunsicherung: „Wie gestalte ich diese Präsentation so, dass ich mich gut in Szene setze? Ich möchte auf keinen Fall schlechter als die anderen sein.“
Präsentieren Sie Ihre eigene Bilanz
Jede/ jeder Präsentierende schielte mit einem Auge auf die Vorbereitungen des anderen. „Was ist dein Thema? Wie präsentierst du das? Oh, super! Tolle Idee! Wenn ich das höre, finde ich mein eigenes Thema nicht mehr so interessant wie deines.“
Wir, die Präsentierenden, haben uns gegenseitig das Leben schwer gemacht. Und nicht nur das. Wir haben uns in der eigenen Entwicklung behindert. Jede/ jeder wollte das Beste, das Perfekte, und am Ende entstand eine Lähmung im Tun.
Solange bis eine Prüferin aufstand und sagte: “Stopp! Genug! Präsentiere deine eigene Bilanz! Vergleiche mit anderen machen dein Leben anstrengend. Konzentriere dich auf deine Vorzüge und dein Potenzial.“
Bringen Sie Ihr Potenzial auf die Straße
Das genau ist Ihre Aufgabe. Wichtig ist, dass Sie von dem, was Sie tun, überzeugt sind.
Jetzt prüfen Sie sich selber. Können Sie den vergleichenden Blick von Ihrem Nachbarn, KollegenInnen oder von Freunden lassen.
Ganz ehrlich: Ich kann es nicht lassen. Inzwischen habe ich aber verinnerlicht, mich auf mein eigenes Potenzial zu konzentrieren: Ich strebe meine eigene positive Bilanz an und diese bestimmt meine Vorträge und Gespräche.
Denn mir ist klar, dass viele Wahrheiten in den sozialen Netzwerken nicht das Ergebnis von „mal eben so gemacht“ sind. Niemand wird von heute auf morgen zum Millionär und wenn, dann ist viel Arbeit vorausgegangen.
Auch ich verfalle gerne dem schönen Schein. Nein, ich kann mich nicht frei machen von den tollen Nachrichten, die im Netz gepostet werden. Mein Perfektionismus-Freund reibt sich dann die Hände und treibt mich an: „Werde noch besser, mach mehr Sport und so weiter.
Der schöne Schein – falle gern darauf rein
Schluss mit dem „unter Druck“ setzen. Vergleiche mit anderen können hilfreich sein, dürfen allerdings nicht lähmen. Besser ist es, die eigenen Stärken – die 3 Bereiche, wo Sie richtig gut sind – zu identifizieren. Diese entwickeln Sie in Ihrem Tempo, so dass sie diese auch in Vorträgen präsentieren können. Dafür lassen Sie sich Feedback geben. Suchen Sie sich jemanden, der Sie durch konstruktive Kritik weiter nach vorne bringt.
Wenn sie sich immer mit anderen vergleichen und einen perfektionistischen Antreiber haben, kommen Sie nie ins Tun. Woher ich das weiß? Raten Sie mal?