Zum Greifen nah und doch so fern
Was möchtest du? Eine Scheibe Wurst oder ein Eis? Jedes Kind kennt diese Frage. Klares Angebot, klare Entscheidung. Meine Güte, waren das noch Zeiten, wo die Alternativen so überschaubar waren. Dadurch konnte man schnell Klarheit erzielen, denn das Angebot war ja nicht so groß.
Früher erschien mir die Welt recht übersichtlich und klar. Ich hatte keine großen Probleme, mich für eine Sache zu positionieren. Es war einfacher, jemandem zu glauben. Denn es gab Personen, die mit Mut Meinungen kundtaten. Wie zum Beispiel Norbert Blüm, der als Arbeitsminister immer wieder beteuerte, die Rente sei „sischä“. Vollmundig ließ er im Wahlkampf 1986 plakatieren: „Denn eins ist sicher: die Rente.“ Na denn! Daran glaubte man. An so ein Plakat würde sich heute kein Politiker mehr trauen.
War ich früher naiver oder war früher vieles wirklich klarer?
Die Märkte bewegen sich so schnell, Fachwissen und Technologien werden immer komplexer, und von allem gibt es nächste Woche eine neue Version. Das vergangene Jahr ist dafür beispielhaft. Vor genau einem Jahr gab es in Bayern den ersten Covid-19-Patienten. Inzwischen ist der erste Impfstoff auf RNA-Basis zugelassen und 1,6 Millionen Deutsche sind laut Angaben des Robert-Koch-Instituts am 27.01.21 geimpft. Wau, was für eine Geschwindigkeit.
Habe ich alle Aspekte berücksichtigt?
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Oft komme ich nicht mehr mit. Ich informiere mich, bis mir der Kopf brummt, und habe trotzdem das Gefühl, dass mir für die richtige Entscheidung immer noch eine wichtige Information fehlt. Woran ich das merke? Ich muss heute ständig konzentriert Entscheidungen treffen. Und obwohl mir die Informationsgesellschaft schnell und vielfältig mehr Wissen zur Verfügung stellt, fallen mir Entscheidungen schwerer.
Wo ist der Telefonjoker?
Eine Scheibe Wurst ist eben heute nicht mehr nur eine Scheibe Wurst und ein Eis mehr als nur etwas Gekühltes mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen. Ständig denke ich bei Entscheidungen an einen Telefonjoker, den ich dringend bräuchte.
Trauen Sie sich zu sagen: „Alles klar!“?
Ich jedenfalls nicht. Je komplexer unser Wissen wird, umso schwieriger wird auch die Kommunikation. Was muss Ihre Zielgruppe unbedingt wissen, was ist essenziell? Wie umfassend wollen und können Sie Informationen aufbereiten? Möchten Sie Meinungsmacher sein oder Meinungsbildner, d. h. die eigene Zielgruppe unterstützen, sich selber eine Meinung zu bilden. Was ist hier Ihr Anspruch?
Dementsprechend müssen Sie ihre Inhalte so klar aufbereiten, dass Ihre Zielgruppe Entscheidungen treffen kann. Das ist eine Kunst, denn wenn Sie sehr detailliert informieren, verliert Ihre Zielgruppe den Überblick. Mehr Wissen führt infolge nicht unbedingt zu mehr Klarheit. Irgendwie verrückt und eine Tatsache, die ich aus eigener Kommunikationserfahrung kenne. Klarheit, wo bist du?
Mut, eigene Positionen und Meinungen zu kommunizieren
Blüms Ministeramt hätte heute nach seiner Ansage von damals sehr wahrscheinlich wenig Zukunft gehabt, unabhängig davon, ob sie sich bewahrheitet hätte. Klar zu sprechen, ist zu einer Mutprobe geworden. Aber genau das honoriert unsere Zielgruppe mit Vertrauen (Blog vom 22.01.2021).
Für alle diejenigen, die kontroverse und komplexe Themen kommunizieren, ist die eigene Klarheit wichtig. Wo stehe ich selber in diesem ganzen Informationsdschungel? Was ist meine Klarheit und eigene Überzeugung? Bin ich mutig, diese zu kommunizieren?
Klarheit für sich selber suchen
Wenn Sie heute komplexe Themen kommunizieren, dann müssen Sie selber klar im Kopf sein. Wenn Sie ein Kind der Küste sind, suchen Sie den Horizont. Lieben Sie die Berge, dann klettern Sie auf den Gipfel.
Egal ob Berge oder Meer. Es zählt der Ausblick. Die Ruhe. Und der Moment, in dem Sie in den Himmel schauen. Das macht den Kopf frei und bringt Sie Ihrer Klarheit etwas näher. Ich wünsche es Ihnen.